Ohne guten Titel bewirkt es nichts

Gruppenfoto mit Gerald Knaus auf der Terasse der Taube in Bizau

Ohne guten Titel bewirkt es nichts

Kamingespräch mit Gerald Knaus

Am 27.8. besuchte Gerald Knaus, Gründer der European Stability Initiative (ESI), unser Hub-Xi im schönen Bregenzerwald. Mit reizvollen Titeln wie „Caviar Diplomacy“ oder „Islamic Calvinism“ gewinnen seine Berichte einen spürbaren Einfluss in zwischenstaatlicher Politik, nicht zuletzt mit dem Entwurf des sogenannten „Merkel Plans“ für den Flüchtlingsdeal mit der Türkei. „Der Schlüssel besteht darin, gut zu schreiben“ – so das Motto seiner Arbeit. Dabei zeigte er während zwei kurzen Stunden, dass er nicht nur gut schreiben, sondern auch lebhaft erzählen kann. Aber was schlägt er vor, sobald ihm die Politik das Ohr zuwendet?

Besondere Gefahren sieht Herr Knaus in Ungarn und Polen. Viktor Orban erklärte bereits das Ende des „Zeitalters der Menschenrechte“ und die Unabhängigkeit der polnischen Justiz sei mittlerweile Geschichte. „Es geht hier wirklich um das Fundament der EU“, nämlich die Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Problematisch seien aber fehlende Druckmechanismen. Um die Konsequenzen von Urteilen des EU-Gerichtshofes unabhängig von tagesaktuellen Verhandlungen durchzusetzen, sollten diese direkt an dessen Urteil geknüpft werden.

Ähnlich ist es in der Flüchtlingspolitik, wo Zwangsmechanismen ebenfalls fehlen. Mit Blick auf das 70. Jubiläum der Genfer Flüchtlingskonvention muss der Grundgedanke, Menschen nicht in Gefahr zurückzuschicken, verteidigt werden. Statt sich der Illusion einer fairen Verteilung hinzugeben, sollten Länder wie Deutschland als Vorbild dienen und für erfolgreiche Integrationsmodelle werben, wie z.B. Kanadas Patensystem. Ebenso sollte die EU eine Erneuerung des Flüchtlingsdeals mit der Türkei vorantreiben, um schnelle Entscheide und Aufnahmen zu sichern sowie die Integration von Flüchtlingen in der Türkei zu fördern.

Aber wie entsteht überhaupt der politische Wille, für Flüchtlinge zu sorgen? Im Vergleich Deutschland-Österreich liege der Unterscheid weder in kulturellen Werten noch in wirtschaftlichen Kapazitäten. Das Entscheidende seien die Geschichten, die erzählt werden. Geschichten von vertriebenen Deutschen, die aufgenommen wurden. Erinnerungen an Schießbefehle an der Mauer zwischen West- und Ostberlin. Die ungerührte Betonung des deutschen Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Diese Geschichten sind präsent in der Bevölkerung und schaffen Druck für eine menschliche Flüchtlingspolitik.

Ob es um die deutsche Bevölkerung geht oder den nächsten Bericht der ESI, eine gut erzählte Geschichte kann viel bewirken. So Jorge Bucay: „Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.“
 

Vera Flatz und Diego Heatherman

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